15. Februar 2016

Einfach mal 'blau machen'

 

Tja, ohne Botanischen Garten kann man die entsprechenden Pflanzen bald nicht mehr sehen... eine Schande!

O tempora, o mores. Wie man wohl in Thüringen darüber denken mag? Während die Universität Erfurt ihre Existenz nur einer einzigen Blume verdankt, will man im Saarland über 1.800 Pflanzenarten achtlos über Bord der Landesuniversität werfen.

Der Färberwaid - Eine recht häufige Pflanze in unserer Region ist er ja gerade nicht, der Färber-Waid, aber eine außerordentlich bedeutsame hinsichtlich unserer kulturellen Entwicklung, liegt es doch wohl im Urwesen des Menschen, seinen Körper bzw. seine Kleidung aus verschiedensten Gründen färben zu wollen (z.B. zum Tarnen, Abschrecken, Schmücken oder Prahlen). Bereits Kelten und Bretonen bemalten sich vor einer Kriegsschlacht mit dem einzigartigen blauen Farbstoff des Färberwaids. Schließlich sind die Briten gar nach dem keltischen Wort „brith“ für Farbe benannt.
Die zweijährige bis ausdauernde Pflanze, oftmals lediglich als Waid bezeichnet, stammt wohl ursprünglich aus den Steppengebieten Mittelasiens und hat sich dann durch Anbau und Verschleppung im größten Teil Europas verbreitet. Sie liebt warme, trockene Standorte auf Bahnschotter, in Steinbrüchen, an Wegen und Rainen. Im Saarland finden wir diese zur Familie der Kreuzblütler gehörende Art nur unbeständig im Nordosten entlang mancher Bahnlinien. Isatis tinctoria nennt die Wissenschaft diese Pflanze, wobei der Artname dem lateinischen „tinctus“ (färben) entstammt. Bereits Hippokrates und Dioskurides gebrauchten die Benennung „isatis“ für den Färberwaid. Etymologen (Sprachforscher) vermuten gar eine Urverwandtschaft dieses griechischen Namens mit dem germanischen „Waid“ sowie dem lateinischen „vitrum“, wobei letzteres sowohl diese Pflanze als auch das Glas bezeichnet. Immerhin nimmt man an, dass diese Färbepflanze schon zu vorgeschichtlicher Zeit im indogermanischen Kulturkreis als solche genutzt wurde. Mancher Betrachter der Pflanze mit ihren gelben Blüten und grünen Blättern mag sich fragen, wo sich denn nun der blaue Farbstoff verbirgt. Auch das Zerreiben irgendwelcher Bestandteile der Pflanze ergibt keinerlei blauen Saft, denn dieser enthält erst die chemischen Vorstufen des eigentlichen Farbstoffes Indigo. Zu dessen Herstellung wurde die Pflanze vor der Blütezeit geerntet, in einer Waidmühle zermahlen und mit Wasser vermengt. Nach einem zweiwöchigen Gärprozess wurde die dickflüssige Masse zu Kugeln oder Kuchen geformt und an der Luft getrocknet. Erst die Gärung und die anschließende Sauerstoffzufuhr lässt das blaue Indigo entstehen. Zum Färben von Garnen und Tüchern wurde das zu färbende Gut direkt in den Färbebottich (Küpe) mit der noch farblosen, gegorenen Waidmasse gelegt. Die Blaufärbung entstand dann von selbst nach dem Aufhängen der Textilien durch Oxidation an der Luft. Dieses Aufhängen und Trocknen war eine kurze, leichte, eigentlich gar keine Arbeit mehr und geschah für gewöhnlich an einem ansonsten arbeitsfreien Montag. Montags nämlich machten die Färber „blau“. Im 14. Jahrhundert erlebte der Waidanbau seine Blütezeit. Die Hochburg der Färberzunft lag im thüringischen Erfurt, was dieser Stadt reichlich Wohlstand einbrachte. Letztlich stifteten die Waidhändler ihrer Stadt im Jahre 1392 gar eine eigene Universität. Die Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama brachte allerdings die Möglichkeit der Einfuhr eines preiswerteren Indigos, gewonnen aus dem dortigen Indigo-Baum, einem Hülsenfrüchtler. Aufgrund diverser Handelssperren wurde die letzte deutsche Waidmühle aber erst 1910 bei Gotha geschlossen. Text: Wolfgang Stein, Botanischer Garten der UdS

 

 


 

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